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Was ist echt?

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Roman Goergen

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Sandra Teschow

Kann KI Elefanten vor Wilderei schützen?

Mithilfe von Spieltheorie und maschinellem Lernen versuchen Forscher:innen Wildereiangriffe vorherzusagen.

Was haben ein Schiff der Küstenwache auf dem New Yorker Hudson River und eine Wildhüter:innen-Patrouille in Uganda gemeinsam? Beide folgen einer Künstlichen Intelligenz, die an der Carnegie Mellon University (CMU) in Pennsylvania entwickelt wurde. Die funktioniere wie das Spiel zweier gegnerischer Gruppen, erläutert CMU-Forscherin Fei Fang, die dieses Computermodell entscheidend mitentwickelt hat: »Die einen müssen entscheiden, wo sie angreifen, die anderen, wie sie patrouillieren sollen.« Zufällige, vom Algorithmus berechnete Bewegungen der Schiffe oder Wildhüter:innen machen es für Terroristinnen oder Wilderer schwieriger, ihre Angriffe zu planen. Das ist wie beim Fußball, wenn bei einer Ecke alle Stürmer:innen erst zusammenstehen, bevor sie in verschiedene Richtungen ausschwärmen – damit die Gegenspieler:innen nicht erraten können, was geplant ist.

Dieser Bereich der KI-Forschung beschäftigt sich mit Spieltheorie und deren mathematischen Modellen. Doch um damit bedrohte Tierarten vor Wilderei schützen zu können, bedarf es mehr: »Die Spieltheorie geht davon aus, dass sich jeder Spieler perfekt rational verhält. Doch das ist bei Wilderern nicht der Fall«, sagt Fang. Also muss eine zweite KI-Disziplin die Lücke schließen: »Durch Maschinelles Lernen kann eine KI versteckte Informationen und Strukturen in großen Datenmengen entdecken, die uns Menschen verborgen bleiben würden«, sagt Jacob Kamminga, Experte für die Anwendung von Computermodellen in Naturwissenschaften an der niederländischen Universität Twente. In einer Studie hat er die besten Technologien gegen Wilderei untersucht, auch die Modelle der CMU. »Eine KI kann also die Wahrscheinlichkeit einer Wilderer-Attacke ermitteln, indem sie historische Daten solcher Angriffe auswertet«, erklärt Kamminga.

So nahmen die Forscher:innen um Fang also Spieltheorie und Maschinelles Lernen, vermischten die Prinzipien mit dem Ziel, Wilderei zu unterbinden, und heraus kam PAWS. Das steht für »Protection Assistant for Wildlife Security« – eine Art superschlaue Alexa zum Schutz bedrohter Tiere. In der KI-Forschung gibt es jede Menge clever gemeinter Akronyme. So haben sich aus PAWS inzwischen einige Folgemodelle entwickelt, die zum Beispiel CAPTURE, INTERCEPT oder SPOT heißen. Sie alle sollen helfen, Wilderei zu unterbinden.

PAWS hat in Uganda in den vergangenen Jahren Wärmekarten erstellt, auf denen höhere Temperaturen eine größere Wahrscheinlichkeit für Wilderei darstellen. »Dadurch konnte PAWS zum Beispiel vorhersagen, wo Elfenbeinwilderer Elefantenfallen auslegen würden«, berichtet Fang. Und tatsächlich: Wildhüter:innen konnten die Fallen dort aufspüren und unschädlich machen. Erfolge verbucht das PAWS-Team inzwischen auch in Malaysia oder China, auch wenn diese sich bislang auf Einzelfälle beschränken.

Eines der größten Probleme der KI-Modelle ist noch, dass es historische Daten über Wilderei-Vorfälle nicht immer in ausreichendem Maße gibt. »Dann führen wir stattdessen Umfragen unter den Wildhütern durch. Solch ein Einbau menschlichen Wissens in das System hat zu besseren Vorhersagen in einem Naturschutzgebiet im Nordosten Chinas geführt, wo wir den Sibirischen Tiger zu schützen versuchen«, so Fang. Außerdem müsse bei jeder neuen Anwendung überprüft werden, welche Daten überhaupt relevant sind. »Nach den Modellen für die Schiffe in New York dachte die KI zu zweidimensional, als sie Routen in Malaysia berechnete«, berichtet Fang. Diese hätten die Wildhüter:innen mitten durch einen Berg geführt.

Erschienen am 28. Februar 2019 

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