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Florian Sturm 

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Joseph Klingenberg

Sebastian Obermeyer
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»Als Mann von geringer Bildung, […] besaß er einen bemerkenswerten Verstand und eine große Beobachtungsgabe. Sein Zeugnis enthält eine Fülle der wertvollsten ethnographischen und geographischen Daten. Keiner der sibirischen Entdecker des 17. und frühen 18. Jahrhunderts lieferte so aussagekräftige Berichte«, schreibt der Geograf Lew Semjonowitsch Berg. Die Rede ist von Wladimir Wassiljewitsch Atlassow. Von 1697 bis 1701 leitet der Kosake die erste systematische Erkundung der größten Halbinsel Ostasiens, Kamtschatka, und legt dabei mit 125 Begleitern rund 11.000 Kilometer zurück. Atlassow lässt zwei Forts entlang des Flusses Kamtschatka errichten, die fortan als Handelsposten für russische Pelzjäger dienen, und erforscht die Kurilen, eine riesige Inselkette zwischen Kamtschatka und Hokkaido.

Doch die wohl bedeutendste Entdeckung Atlassows ist ein unscheinbarer Mann namens Dembei. Der 57- jährige Kaufmann aus Osaka wird als Schiffbrüchiger aufgegriffen. Atlassow bringt den Häftling nach Moskau, wo er maßgeblich an der Erstellung des ersten russisch-japanischen Wörterbuchs mitwirkt. Dembeis Schüler arbeiten später als Übersetzer auf zahlreichen Kamtschatka-Expeditionen.

Auf seiner eigenen Kamtschatka-Expedition schreckt Atlassow vor Gewalt nicht zurück. Oft lässt er Fremde, die sich seinen Weisungen widersetzten, umbringen oder zündet ihre Dörfer an. Als ein Clan Atlassows Rentiere stiehlt, töten er und seine Männer fast 150 Menschen. Trotzdem erhebt Peter der Große ihn 1701 für seine Leistungen in den Stand eines Offiziers.

Da Atlassow wenige Monate nach Expeditionsende ein Handelsschiff plündert und chinesische Seide sowie 16.662 Rubel stiehlt, landet er hinter Gittern. Nach seiner Entlassung 1707 schickt Peter der Große ihn erneut nach Kamtschatka. Diesmal, um die vielen rebellischen Kosaken der Region zu befrieden. Vergeblich. Aufständische erstechen den schlafenden Atlassow am 1. Februar 1711.

Heute sind die unbewohnte vulkanische Atlassow-Insel südlich von Kamtschatka sowie das Mineral Atlasovit nach dem Kosaken benannt.

Erschienen am 7. April 2022

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