Wie holen wir den Biber zurück?

Text
Bernd Eberhart

Roísín und der Biber, das ist eine Liebe fürs Leben: Erfahrung, Fürsorge, Vernunft und dergleichen, in guten wie in schlechten Zeiten. Roísín Campbell-Palmer ist Wissenschaftlerin: Zoologin, Naturschutzbiologin, freischaffende Biber-Ökologin.

Derek und der Biber, das ist ein heißer Flirt: ungestüm, voller Emotion und Ungeduld – eine seiner vielen Affären mit der Wildnis. Derek Gow ist ein Anpacker: ehemaliger Landwirt, Naturschutzaktivist, Spezialist für private Wiederansiedelungen aller Art.

Die beiden verfolgen dasselbe Ziel: wilde Biber in Großbritannien. Doch in Tempo und Methoden unterscheiden sie sich gewaltig. Wer hat Recht?

Der Biber nagt und fällt und baut – und dient auch dem Menschen

In England und Wales war der Europäische Biber schon im 13. Jahrhundert ausgerottet, 300 Jahre später auch in Schottland. Er gilt als Schlüsselart: Der Biber nagt und fällt und baut, schafft Lücken im Wald und Nischen am Fluss und prägt ganze Lebensräume. Unterm Strich dient er auch dem Menschen, etwa beim Schutz vor Überschwemmung. Über die letzten 80 Jahre wurde er daher in Europa so häufig in seine ursprünglichen Habitate wiedereingeführt wie kaum ein anderes Tier.

Auch Schottland diskutierte das schon in den 1990ern. Doch erst im Mai 2009 konnte Roísín Campbell-Palmer elf Biber aus Norwegen in ihre neue, schottische Heimat entlassen, im Zuge des Scottish Beaver Trial – der ersten offiziellen Wiederansiedelung eines Säugetiers überhaupt in Großbritannien. Allein die Wahl eines Habitats war schwer: Wohl sollte sich der Biber fühlen. Aber nicht zu wohl. Bäume sollte er fällen und Dämme bauen und Biberkinder zeugen, aber bitte nicht zu viel von allem – und auch nur in einem klar umrissenen Gebiet an der rauen Westküste Schottlands. Zäher noch war der Kampf mit der Politik, bis endlich drei Biberfamilien drei Waldseen im Knapdale Forest beziehen konnten. Fünf Jahre und einige norwegische Ersatz-Biber später galt der Biber ganz offiziell wieder als »heimische Art« in Schottland, der Trial als erfolgreich beendet. 16 Biber streiften durch den Knapdale Forest. »Man muss die Menschen mitnehmen, wenn man eine Tierart wieder einführt«, sagt Campbell-Palmer. Biber-Monitoring, Aufklärung und Kompensationszahlungen für Land- und Forstwirte seien essenziell.

»Was soll denn passieren? Biber jagen keine Busse in die Luft.«

Derek Gow geht das alles viel zu langsam. »Wir haben die wilden Tiere ausgerottet. Jetzt müssen wir sie eben zurückbringen.« Wühlmäuse, Wildkatzen oder Störche hat er auf seinem Privatgrund im Süden Englands ausgewildert, so halb legal – und eben den Biber. Rund 30 der Tiere leben rund um sein Grundstück. »Rewilding« ist seine Leidenschaft, Bedenken hat er keine. »Was soll denn passieren?«, ruft Gow ins Telefon. »Wildkatzen fressen Hühner, keine Menschen, und Biber jagen keine Busse in die Luft.« Die Tiere würden, wenn überhaupt, nur eine Landwirtschaft stören, die ohnehin durch Subventionen aufgeblasen, oft ineffizient und unnatürlich ist.

Gut 100 Kilometer vom Knapdale Forest entfernt, im Osten Schottlands: weitläufige Flüsse, sanfte Auen – rings um den River Tay haben sich Biber prächtig ausgebreitet.

Ungeduldige Wildtierfans hatten Ende der 1990er Biber auf Privatgrund gehalten und »aus Versehen« entkommen lassen. Die Biber fanden das offenbar gut. Die Bauern nicht. Im Jahr 2019 wurden 87 Biber in der Region erschossen, über ein Fünftel der gesamten Population. Ganz offiziell.

Erschienen am 01. April 2021

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Bernd Eberhart