Hautprobleme durch zu viel Pflege? Klingt erst mal widersprüchlich. Doch die schwedische Forscherin und Pharmazeutin Marie Lodén sagt: Dass immer mehr Menschen – vor allem Frauen – Hautprobleme beklagen, liege auch an den Chemikalien in den Produkten, die wir uns täglich ins Gesicht schmieren. Aber sollten sie uns nicht eigentlich schöner machen?
Die Kosmetikbranche hat unser heutiges Ideal von schöner Haut geprägt – vielleicht sogar erst erschaffen. Unsere Haut soll rosig, aber nicht gerötet sein. Hydriert, aber nicht fettig. Ohne lästige Mitesser und Pickel. Tatsächlich aber hat kaum jemand »perfekte Haut«, wenn es sie denn überhaupt gibt. Forscherinnen der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie (EADV) haben in der bisher größten dazu durchgeführten Erhebung »Burden of Skin Diseases in Europe« (2021) 44.689 erwachsene Europäerinnen und Europäer befragt: Jede zweite der Befragten leidet an Hautproblemen oder sogar -krankheiten – die meisten sogar an mehreren. Daraus folgern die Forscherinnen: Etwa 20 Prozent der Europäerinnen und Europäer, das sind mehr als 94 Millionen Menschen, klagen über unangenehme Hautempfindungen wie Juckreiz, Brennen oder Trockenheit.
Doch anstatt diese Probleme zu bekämpfen, könnte die Industrie laut Forscherin Lodén selbst ihren Teil dazu beigetragen haben: »Einige Produkte können leichte Irritationen verursachen, die zwar nicht spürbar sind, aber die Haut anfälliger machen – beispielsweise für Trockenheit.« Schon vor mehr als zehn Jahren haben sich Marie Lodén und die Forscherin Izabela Norin die Frage gestellt: Wie verändert sich die Hautbarriere, also die äußerste Hautschicht, wenn man über lange Zeit Feuchtigkeitscremes darauf schmiert?
Um das herauszufinden, sollten 20 Testpersonen mit »normaler Haut« über sieben Wochen lang täglich zwei verschiedene Cremes testen. Das Ergebnis: Bestimmte Cremes können langfristig der Hautbarriere schaden, indem sie die Hautbarrierefunktion modifizieren und die genetische Information der Oberhaut verändern: Bei einer der beiden Cremes führte das Eincremen beispielsweise zu erhöhtem »transepidermalen Wasserverlust«. Über die Haut Wasser zu verlieren, ist erst mal normal, zum Beispiel beim Schwitzen. Aber Lodén und ihre Kolleginnen und Kollegen zeigten, dass auch Kosmetika wie Feuchtigkeitscremes die Hautbarriere angreifen und durchlässiger machen können, sodass die Haut Feuchtigkeit weniger gut speichert – also schlicht das Gegenteil von dem tut, wofür die Creme auf dem Etikett wirbt.
Marie Lodén sagt: »Die Haut wird süchtig, weil man sie in gewisser Weise zerstört. Also muss man das Zerstörte abdecken, mit neuen Cremes«.
Um die Branche »sicherer« zu machen, hat Marie Lodén den Spieß schließlich umgedreht und das Beratungsunternehmen »Eviderm Institute« in Schweden gegründet: Heute kommen Firmen mit neu entwickelten Produkten zu ihr und wünschen sich eine Art Sicherheitsbewertung für ihre Creme.