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Verbrechen

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Nelly Ritz

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Gregor Dashuber

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Z. Kowalske, G. Pantalos, A. Oleiwi, G. Williams

Zack Kowalske und die Gesetze der Schwerelosigkeit

Die Analyse von Blutspuren hilft, Unfälle und Morde zu rekonstruieren. Auf der Erde funktioniert das gut, doch unter Schwerelosigkeit gelten andere Gesetze. Ein Detective will sie durchschauen.

Im Jahr 1895 schlug Eduard Piotrowski, Mitarbeiter des Instituts für forensische Medizin in Krakau, Kaninchen auf den Kopf. Ihr Blut spritzte auf Papier – und die erste wissenschaftliche Arbeit über »Entstehung, Form, Richtung und Ausbreitung von Blutspuren nach Hiebwunden des Kopfes« entstand. Ein Grundstein für die Blutspurenmusteranalyse.

Durch seine Experimente zeigte Piotrowski, wie Form und Richtung einer Blutspur mit ihrer Flugrichtung zusammenhängen. Dass man sich eines Tages fragen würde, wie sich das alles in Schwerelosigkeit verhält, war für Piotrowski vermutlich unvorstellbar.

Nicht so für Detective Zack Kowalske. Kowalske ist selbst ernannter »Space Nerd« und arbeitet in der forensischen Abteilung der Polizei in Roswell, USA. Die Blutspurenmusteranalyse ist eines seiner Fachgebiete. An einem Tatort bestimmt Kowalske zunächst, aus welcher Richtung – also woher im zweidimensionalen Raum – die Blutspritzer kamen. Um den Ursprung der Spritzer im dreidimensionalen Raum zu rekonstruieren, berechnet Kowalske den Auftreffwinkel der Spuren. »Das hilft uns beispielsweise, herauszufinden, ob eine Person stand, saß oder lag.«

Kowalske hat dabei immer wieder die Erfahrung gemacht, dass der berechnete Winkel ein paar Grad vom tatsächlichen Winkel abweicht. Er fragte sich: Könnte das an der Schwerkraft liegen?

Im Rahmen seiner Doktorarbeit in Forensik, die Kowalske nebenberuflich an der Universität Staffordshire in Großbritannien schreibt, geht er dieser Frage nach. Seine Hypothese: »Wenn die Schwerkraft als beeinflussende Variable wegfällt, ist der berechnete Auftreffwinkel exakt.«

In Parabelflügen, die für jeweils 15 bis 20 Sekunden Schwerelosigkeit erzeugen, konnte Kowalske diese Vermutung testen: Ein Kollege Kowalskes verteilte während dieser Flüge Kunstblut mit einer Spritze auf einem Blatt Papier. Dabei spielte er verschiedene Winkel durch, in denen das Blut auf das Papier treffen sollte. Anschließend maß Kowalske die Länge und Breite der Blutspuren, berechnete ihre Auftreffwinkel und verglich sie mit den tatsächlichen Winkeln.

»Das Coole ist«, sagt Kowalske, »mit meiner Hypothese lag ich vollkommen falsch!« Trafen die Spritzer im 45 Grad-Winkel auf das Papier, ergab die anschließende Berechnung nicht wie erwartet exakt 45 Grad, wie Kowalske im Juli 2024 in der Zeitschrift Forensic Science International: Reports beschreibt. Sondern 60, 59 oder 62 Grad. Was war passiert?

Der Forensiker Zack Kowalske und sein Kollege untersuchten, in welchen Winkeln Blutspritzer in Schwerelosigkeit auf Papier treffen. Auch die Flugbahn der Blutspritzer haben sie gefilmt.

»Ohne Schwerkraft wird die Oberflächenspannung der Bluttropfen zur stärksten Kraft. Sie hält auch den Fleck zusammen«, erklärt Kowalske. Ein Blutspritzer, der auf der Erde im 45-Grad-Winkel auf ein Blatt Papier trifft, ist also länger gestreckt als ein Blutspritzer, der im All im gleichen Winkel auftrifft. Deshalb ergaben die Blutspurenmusteranalysen von den Parabelflügen einen viel höheren Auftreffwinkel – weil sie nach Erd-Maßstäben berechnet wurden. Kommt es irgendwann zum ersten Mord im All, gilt es, diese Verzerrung zu berücksichtigen. Detective Kowalske ist bereit.

Erschienen am 21. März 2025

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