Ein Erfinder trifft seine Erfindung wieder – nur kommt sie jetzt aus China. Ein Interview.
Schrott und Metallreste – daraus baute Emmanuel Bobobee den ersten Prototypen seiner bislang größten Erfindung: den Cassava Harvester. Dieser Aufsatz wird vorn an einem Traktor angebracht und hilft bei der Maniok-Ernte. Bobobee ist Professor an der ghanaischen Kwame Nkrumah University of Science and Technology und spezialisiert auf die Entwicklung von Landwirtschaftsmaschinen. Der 65-Jährige baute bereits zahlreiche Prototypen, die Bäuer:innen die Arbeit vor, während und nach der Ernte erleichtern.
An seinem Cassava Harvester feilte Bobobee jahrelang, zeigte Interessierten, wie er funktioniert, ließ die Entwicklung patentieren. Und musste am Ende mit ansehen, wie andere seine Entwicklung nachahmten. Bobobee bezichtigt chinesische Ingenieur:innen des Ideenklaus – die ihm nun mit seinem eigenen Produkt Konkurrenz machen. Was macht das mit einem Erfinder, wenn die eigene Idee Beine bekommt – und einem trotz erfolgreicher Entwicklung nichts davon bleibt? Ein Interview in Kurznachrichten.
[17:56, 11/05/2021] Emmanuel Bobobee
Den ersten Prototyp der Maniok-Erntemaschine habe ich 1994 aus Schrott und Metallresten gebaut. Erst 2009 konnte ich mithilfe von Fördergeldern eine neue Version anfertigen und die Funktionsweise der Maschine demonstrieren. Die ghanaische Regierung war mit dem Ergebnis zufrieden und bestellte 15 Stück, um sie an Bäuer:innen zu verteilen. Mehrere internationale Besucher:innen, einschließlich chinesischer Delegationen, kamen auf meine Forschungsfarm. Sie wollten sehen, wie das Gerät funktioniert. Ich dachte, das sei eine Chance, für meine Arbeit und meine Universität zu werben – bis ich das Bild einer ähnlichen Maschine sah, es war eine chinesische Version meiner Erfindung.
[18:15, 11/05/2021] Florian Sturm
Herr Bobobee, die Idee wurde Ihnen also geklaut. Wie wirkte sich die Raubkopie auf Ihr Projekt aus?
[18:20, 11/05/2021] Emmanuel Bobobee
Meine Version ist in Ghana kaum bekannt. Es kann nun passieren, dass die chinesische Regierung Ghana oder einem anderen afrikanischen Land bilaterale Hilfe in Form von landwirtschaftlichen Geräten zukommen lässt und meine Erfindung als Teil dieses Pakets mitliefert. Und der afrikanische Bauer weiß dann nicht, dass ursprünglich ein Ghanaer die Maschine entwickelt hat.
[18:24, 11/05/2021] Emmanuel Bobobee
Mit seiner Produktionskraft und den staatlichen Mitteln ist es für China ein Leichtes, die Raubkopie in Afrika bekannt zu machen. Mir gehen dadurch Erlöse verloren. Und einheimische Wissenschaftler:innen und jüngere Forschende wird es davon abhalten, sich auf das schwierige und wenig lohnende Terrain der Innovation zu wagen.
»Der afrikanische Bauer weiß nicht, dass ein Ghanaer die Maschine entwickelt hat.«
[18:32, 11/05/2021] Emmanuel Bobobee
Auch wenn die Chinesen dafür berüchtigt sind, alles auf dem Globus nachzuahmen – Maniok ist eine afrikanische Pflanze und unsere Regierung sollte alles dafür tun, um eine afrikanische Erfindung für afrikanische Bäuer:innen zu fördern.
[18:34, 11/05/2021] Florian Sturm
Sie hätten sich also mehr Unterstützung von Ihrer Regierung gewünscht?
[18:39, 11/05/2021] Emmanuel Bobobee
Ja. Entweder direkt durch die jeweiligen Ministerien oder durch Partnerfirmen.
[19:54, 18/05/2021] Florian Sturm
Wie reagierten Sie, als Sie von der Raubkopie erfuhren?
[19:57, 18/05/2021] Emmanuel Bobobee
Ich spürte Wut und Frustration. Wut, weil andere Menschen von meiner harten Arbeit profitieren werden, ohne mich dafür zu entschädigen. Frustration, weil der afrikanische Kontinent nicht bereit ist, Innovationen und Erfindungen von Afrikaner:innen zu schützen und zu fördern.
[19:57, 18/05/2021] Florian Sturm
Was haben Sie aus dieser Erfahrung gelernt?
[20:01, 18/05/2021] Emmanuel Bobobee
Ich habe ein Patent für meine Erfindung, allerdings nicht in China. Dort habe ich es nur registrieren lassen. Was ich in Zukunft anders machen werde? Ich weiß es nicht. Ich könnte das Patent weltweit anmelden, doch dafür fehlen mir ohne die Nachfrage für meine Innovation die Mittel.
Erschienen am 20. Juli 2021
Inhalt
Unsterblich
In Zukunft werden uns immer mehr Tote begleiten: Als digitale Kopien, die nach dem Tod eines Menschen weiterreden, chatten, vielleicht sogar arbeiten. Aber wollen wir sie überhaupt haben in unserer Welt der Lebenden?
Vergiss es, Bruder.
Vergessen ist kein Unfall. Vergessen ist essenziell für unser Hirn, unser Leben, unsere Gesellschaft – ein aktiver Prozess. Ohne Vergessen wäre Erinnern ein Nichts.
Das dunkelste Kapitel der Physik
Viele Jahre lang suchen zwei Wissenschaftlerinnen den Beweis für die Dunkle Materie. Nicht nur die Theorie macht ihnen zu schaffen – auch die Männerwelt der Physik.
Ein Brocken Nichts
Im Internet ist alles einfach da und irgendwie kommt es zu uns. Dahinter stecken tausende Tonnen Metall und Kunststoff. Drei Studentinnen machen sie greifbar – mit dem BROCKEN.
Sie haben Nichts
Sonja und Petra haben körperliche Beschwerden. Niemand kann erklären, woher sie kommen. Sind sie harmlos oder tödlich? Über den schmalen Grat zwischen Nichts und Etwas in der Medizin.
Wenn das Seil reißt
Über Pannen, gescheiterte Experimente, misslungene Entwicklungen wird nicht gern gesprochen. Doch das Scheitern gehört zu jeder echten Forschung – die Wissenschaft muss lernen, es zu umarmen. Ein Plädoyer.
Nichts bleibt
Barfuß oder Lackschuh,
Alles oder nichts? Die Playlist.
Leere Gedanken
Wer zum ersten Mal meditiert, merkt: Schon bald funken Gedanken dazwischen. Wie erreichen Profis die ersehnte Stille im Kopf? Und was weiß die Neurowissenschaft über diesen Zustand?
Es war Bobobees Idee
Ein Erfinder trifft seine Erfindung wieder – nur kommt sie jetzt aus China. Ein Interview.
Was ich höre
Vier Minuten, dreiunddreißig Sekunden: Nichts. Unsere Autorinnen erzählen von einem Hörerlebnis.