Besser Streiten

14.11.2024, Tübingen | Museum Kino 1
20:00 Uhr | Einlass: 19:30 | Eintritt frei

Besser Streiten

So streiten wir online: In Posts und Kommentaren geht es oft hoch her. Nicht selten werden dabei die Regeln für fairen und produktiven Austausch ignoriert und stattdessen wird scharf geschossen. Das ist nicht nur extrem unschön sondern auch gefährlich für unsere Demokratie, denn ein großer Teil gesellschaftlichen Debatte findet mittlerweile online statt. Bei den Science Notes fragen wir: Wie geht das besser?

Programm

That escalated quickly – Streit und das Ende von Projekten

Kathrin Passig (Schriftstellerin)

Ob kleine WhatsApp-Gruppe oder große Onlinecommunity: Ständig zerfällt irgendwas im Internet durch Streit zwischen den Beteiligten. Obwohl die Leute anfangs viel netter waren als anderswo! Alle nehmen sich vor, beim nächsten Mal klüger zu sein. Trotzdem passiert beim nächsten Mal wieder genau dasselbe, und beim übernächsten auch. Woran liegt das? Und können wir irgendwas dagegen tun?

Foto: Norman Posselt

Kathrin Passig ist eine deutsche Schriftstellerin und Journalistin. Mit eigenen Kolumnen sowie Texten in Internetforen, wie beispielsweise »Wir höflichen Paparazzi« und »Techniktagebuch«, prägte sie die journalistische Avantgarde der 2000er und interessierte sich früh für Themen der Alltagstechnik, Technik und Schriftstellerei sowie den zunehmenden Einfluss von KI. 2006 erhielt Kathrin Passig den Ingeborg-Bachmann-Preis. Ihre Bücher und Texte werden weltweit gelesen.

Krieg und Frieden erklären

Prof. Dr. Klaus Gestwa (Universität Tübingen)

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat dazu geführt, dass die Osteuropa-Forschung mehr Öffentlichkeit wagen muss. Die emotionalisierte Debatte wird zugleich von prominenten Stimmen mitbestimmt, die ohne Osteuropa-Expertise fahrlässig Moskauer Desinformationen reproduzieren, um sich einem realitätsfernen Scheinpazifismus hinzugeben und daraus politisches Kapital zu schlagen. Wer mit fundieren Argumenten diesem naiven Friedenspopulismus entgegentritt und die vom imperialen Krieg Russlands ausgehende Bedrohung der europäischen Demokratie thematisiert, sollte in der öffentlichen Auseinandersetzung nicht mit Anstand, Vernunft und Dialogbereitschaft rechnen.

Klaus Gestwa ist seit 2009 Direktor des Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde der Universität Tübingen. Seit 1988 reist er regelmäßig zu Forschungsaufenthalten nach Russland und in die Ukraine und hat mehrere große internationale Forschungsprojekte gemeinsam mit russischen und ukrainischen Kolleg:innen zu Themen der Umwelt-, Technik- und Umbruchgeschichte in spät- und postsowjetischer Zeit geleitet. Mit seiner Expertise zu Problemgeschichte unserer kriegerischen Gegenwart hat er sich in der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit engagiert, um zum einen wichtiges historisch-politisches Hintergrundwissen zum aktuellen Kriegsgeschehen zu vermitteln und um zum anderen der russischen Desinformation damit ihren deutschen Multiplikator:innen entgegenzutreten. Für diese Engagement und die Entwicklung neuer Formate wie den „Thesencheck“ und die „Livestream“-Diskussion hat er im Mai 2024 den Kommunikationspreis der Universität Tübingen erhalten.

YouTube

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Mitmischen: Memes & Mikropolitik

Prof. Dr. Brigitte Weingart (Universität der Künste Berlin)

Spätestens seit sogenannte „Meme Wars“ politische Wahlen und äußerst real existierende Kriege begleiten, ist deutlich geworden, dass man es bei Internet-Memes nicht nur mit lustigen Bildwitzen zu tun hat. Aber das Potential, in gesellschaftliche Aushandlungen zu intervenieren, beschränkt sich bei Memes gerade nicht auf die ‚große‘ Politik. Als partizipative Medien sind sie überdies daran beteiligt, auch medial unterrepräsentierte Missstände und Gefühlslagen (wie Diskriminierungserfahrung oder ‚minor feelings‘) zum Ausgangspunkt einer geteilten Aufmerksamkeit zu machen. In solchem mikropolitischen Mitmischen liegt gegenwärtig auch eine Chance, die digitale Alltagskultur und ihre Debattenräume nicht der metapolitischen Vereinnahmung von rechts zu überlassen

Brigitte Weingart

Brigitte Weingart ist Professorin für Medientheorie an der Universität der Künste Berlin und beschäftigt sich mit den medialen Bedingungen von Phänomenen wie Ansteckung, Aneignung oder Faszination. Seit 2022 leitet sie am Sonderforschungsbereich Intervenierende Künste (SFB 1512) ein Teilprojekt zu Meme-Kulturen.

Generative KI und die Kunst des Streitens

Prof. Dr. Christoph Bareither (Universität Tübingen)

ChatGPT & Co sind mit rasanter Geschwindigkeit zum festen Bestandteil alltäglicher Wissensproduktion geworden, sowohl innerhalb der Universität als auch außerhalb. Der von solchen KI-Systemen generierte „Output“ ist meist leicht zugänglich, schnell produziert, und oft hochgradig überzeugend. Gleichzeitig ist er aber durchsetzt von „Halluzinationen“ und liefert ein stark geglättetes Wissen mit oft oberflächlichen Argumenten. In einer von generativer KI geprägten Wissenskultur heißt es deshalb einen Mittelweg zu finden zwischen produktiver Aneignung und kritischer Widerständigkeit. Die Universität gehört dabei zu den zentralen Orten, an der eine neue Kunst des Streitens mit generativer KI erprobt, erlernt und weiterentwickelt werden kann.

Christoph Bareithers Forschung und Lehre fokussiert auf die ethnografische Analyse digitaler Alltagskulturen und verbindet dabei die Perspektiven der Empirischen Kulturwissenschaft (EKW) mit denen der Digitalen Anthropologie. Ziel seiner Arbeit ist es, die Transformationen alltäglicher Praktiken und Erfahrungen im Zuge der Digitalisierung (bspw. bedingt durch Social Media, digitale Bildtechnologien, Computerspiele, maschinelles Lernen) ethnografisch zu beleuchten und dadurch Beiträge zu drängenden gesellschaftspolitischen Debatten zu leisten.

Rechtsextremismus ist auch ein Medienproblem

Dr. Simon Strick (Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften)

Rechtsextremismus spielt sich nicht nur in digitalen Medien unserer Gegenwart ab – Rechtsextreme sind selbst Medienunternehmer und betreiben lukrative, alltägliche Agitation. Simon Strick bietet einen Einblick in die digitalen Welten, wo Revisionismus und Rassismus zum Normalton gehören und die Mainstreamkultur stellen. Diesen Welten ist mit blossem Monitoring nicht beizukommen – um sie zu bekämpfen, muss man die Inhalte verstehen.

Musik

Mad Science (Klangperformance)

Moritz Simon Geist

Moritz Simon Geist ist ein Musikproduzent und Künstler aus Dresden. Nach seinem Maschinenbaustudium verfolgte er eine internationale Musikkarriere. Er arbeitet mit Robotern, um elektronische Musik zu kreieren. Er debütierte 2012 mit dem mechanischen Trommelroboter „MR-808“ und erforscht seitdem die Klangerzeugung und Produktion elektronischer Musik mit Robotern und Mechanik. Seine Kompositionen sind von verschiedenen elektronischen Musikstilen sowie klassischer Musik beeinflusst. Geist hat mit Künstlern wie Mouse On Mars, Tyondai Braxton oder Robert Lippok zusammengearbeitet und seine Werke und Performances seit 2012 bei mehreren hundert Gelegenheiten präsentiert, darunter auf der Biennale von Venedig (Italien), dem South By Southwest Festival, der Philharmonie de Paris, der Elbphilharmonie Hamburg oder ZER01NE Südkorea.

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